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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

Jahreskreis
22. Sonntag (Lesejahr C)

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Demut

Gastmahl im Gedränge.
Demut: Erdnah und gottverbunden.
Heilige, Sportler und Dichter.

I. Jesus ist zu einem Gastmahl im Hause eines einflußreichen Pharisäers geladen1. Dieser dürfte nicht zu der massiv gegen Jesus agierenden Jerusalemer Gruppe gehört haben, die ihre Spione gegen ihn ausschickte, eher zu denen, die wenig Kontakt mit dem Herrn hatten. Alles läßt auf eine erste Begegnung zwischen ihnen und Jesus schließen. »Man könnte sagen: Jesus dringt in eine neue Zone ein, sie haben wohl ebenfalls die Vorurteile ihrer Partei, aber sie haben sich über Jesus noch kein endgültiges Urteil gebildet.= 2 Der Herr verfolgt aufmerksam das Betragen der Gäste. Sie drängeln und schieben sich nach vorn zu den Ehrenplätzen. Der Herr mag eine Weile gewartet haben, bis Ruhe eingekehrt war, dann erteilt er ihnen eine Lehre, diesmal - anders als sonst - sanft und erhalten. Jesus wendet sich nicht an einen bestimmten unter den Anwesenden, sondern an ein Du, das jeder sein könnte: Wenn du zu einer Hochzeit eingeladen bist, such dir nicht den Ehrenplatz aus. Er schärft ihnen nicht ein Gebot ein, sondern gibt eine Empfehlung. Denn es könnte ein anderer eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem Platz! Du aber wärst beschämt und müßtest den untersten Platz einnehmen. Wenn du also eingeladen bist, setz dich lieber, wenn du hinkommst, auf den untersten Platz; dann wird der Gastgeber zu dir kommen und sagen: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen Gästen. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.3

Was will uns der Herr hier sagen? Er erinnert daran, daß es nicht gut ist, von sich selbst eine zu hohe Meinung zu haben, die uns dazu verleiten könnte, uns über alle anderen zu stellen. Dies mache leicht - stellen wir uns nur das Gedränge unter den Gästen vor - grob und rücksichtslos. Vielleicht ist auch der Rat mitgemeint: Sieh dich um, bevor du den dir zugewiesenen Platz verschmähst, vielleicht entwickelt sich aus dem Gespräch mit dem unbekannten Tischnachbarn ja eine freundschaftliche Beziehung.

Welchen Platz wird der Gastgeber dem Herrn zugewiesen haben? Ob einer der Gäste auf den Gedanken gekommen ist, der beste Platz sei der neben Jesus? Wir wissen es nicht. Und doch: Wie anregend ist es, diesen Gedanken auf unser geistliches Leben anzuwenden. Ist uns etwa die flüchtige Anerkennung durch Menschen wichtiger als die Nähe zu Christus? Suchen wir wirklich die Nähe des Herrn? Da finden wir die echte Demut. Christus hat sie uns vorgelebt: »Je tiefer er sich in seinem Menschsein erniedrigte, um so größer erwies er sich in seiner Güte. Je armseliger er für mich geworden ist, desto lieber ist er mir geworden.«4 Nehmen wir uns in acht, daß der legitime Wunsch, geachtet zu sein, sich nicht verselbständigt.

Mutter Teresa schreibt: »Jesus hat gesagt: >Lernt von mir.< In unseren Betrachtungen sollten wir immer sagen: >Jesus, mache aus mir einen Heiligen nach deinem Herzen, sanft und demütig.< Wir sollen in dem Geist antworten, in dem Jesus sich unsere Antwort wünscht. (...) Haben wir ihn in seiner Demut wirklich verstanden? Finden wir an dieser Demut Geschmack, zieht sie uns an?«5

II. Man hat die Demut »eine zwar nicht vergessene, aber auf vielerlei Art mißdeutete und mißkannte Tugend«6 genannt. Sie besteht im Grunde nicht darin, ungeordnete Regungen des Hochmuts, des Ehrgeizes, der Eitelkeit niederzuringen: Das Wort humilitas ist mit humus Erde, Boden - verwandt. Demut heißt Erdnähe, Bodennähe. »= 6 genannt. Sie besteht im Grunde nicht darin, ungeordnete Regungen des Hochmuts, des Ehrgeizes, der Eitelkeit niederzuringen: Das Wort humilitas ist mit humus - Erde, Boden - verwandt. Demut heißt Erdnähe, Bodennähe. Demut ist die Erkenntnis und die bejahende Anerkennung des unaussprechlichen Abstandes zwischen Schöpfer und Geschöpf.«7 Der Gründer des Opus Dei schreibt: »Ich bitte dich, Herr, um die Gabe der Liebe: eine Liebe, die mich rein macht... - Und noch um eine weitere Gabe bitte ich dich: um Selbsterkenntnis, damit ich demütig werde.«8

Es geht in der Demut um den Blick für die Wahrheit der Dinge und des Menschen: »Ich dachte einmal über den Grund nach, warum unser Herr ein so großer Liebhaber der Demut ist« schreibt die heilige Theresia von Avila. »Da kam mir, wie ich glaube, plötzlich und wie von selbst der Gedanke: Gott ist die höchste Wahrheit, und die Demut ist ein Wandeln in der Wahrheit. Denn es ist ganz gewiß wahr, daß wir von uns selbst nichts Gutes, sondern nur Armseligkeit und das Nichtssein haben. Wer dies nicht erkennt, der wandelt in der Lüge; je mehr wir aber dies erkennen, um so mehr entsprechen wir der höchsten Wahrheit, weil wir dann in der Wahrheit wandeln.«9

Grundlage der Demut ist also die Anerkennung des unendlichen Abstandes zwischen Schöpfer und Geschöpf. Je deutlicher wir uns dieses Abstands bewußt sind, um so dankbarer werden wir für die Hinneigung Gottes zu seinen Geschöpfen. »Wer von oben empfangen will, der muß notwendigerweise ganz unten sein in rechter Demut (...). Sieh zu, daß du dich hinab begibst in rechter Demut unter Gott und daß du (andererseits) Gott erhebst in deinem Herzen und in deinem Erkennen.«10

Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden. Das Geschöpf, das sich in Demut Gott öffnet, wird von ihm erhöht. Die Seele wird dann fähig zu hohen Zielen. Betrachten wir Maria, nachdem sie ihre Auserwählung erfahren hat.11 Zum Engel sagt sie schlicht, sie sei die Magd des Herrn. Als sie von Elisabet das Lob vernimmt - Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen -, macht sie sich bereit, ihr zu dienen. Die Begnadete enthüllt nicht einmal dem heiligen Josef, ihrem Bräutigam, das Geheimnis ihrer Auserwählung: sie überläßt Gott die Erklärung und den Zeitpunkt. Ihr Jubel richtet sich auf die Großtaten des Allmächtigen. Sie sieht sich vor Gott in ihrer Niedrigkeit12 und wird so fähig, sich selbst zu vergessen und Gott die Mitte ihres Lebens, ihrer Pläne, ihres Willens sein zu lassen. An ihr erkennen wir, was es heißt, Geschöpf zu sein: bedürftig und geborgen zugleich. Maria sucht allein die Ehre Gottes, nicht das Lob der Menschen im Gegensatz zu den Tischgenossen Jesu beim Gastmahl im heutigen Evangelium. In ihr verkörpert sich ganz das Wort des Herrn an die Geladenen: wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Der Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung und beruflichem Erfolg kann durchaus gut und legitim sein, ja ein Zeichen von Verantwortung. Aber dieser Wunsch kann leicht in falschen Ehrgeiz umschlagen, wenn die Demut fehlt. Dem Demütigen liegt es nicht, sich selbstgefällig zur Schau zu stellen. Er will Gott mit seinen Gaben dienen und nicht Gegenstand von Bewunderung sein. Wer so lebt, kann sich vorbehaltlos in den Dienst Gottes stellen. Gott wird ihn an sich ziehen, an seinem Innenleben teilnehmen lassen, mit einem Wort: ihn vergöttlichen. Maria, die Magd des Herrn, wird Königin aller Engel und Heiligen.13

III. Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott.14 Der Demütige dankt Gott und freut sich; denn die Demut läßt ihn entdecken, daß alles Gute von Gott kommt.

Es gibt Geschenke - Dinge oder Menschen -, die uns innerlich zum Singen bringen, und das ganz unverdient, was uns helfen kann, bescheiden zu werden. Nicht nur Selbstüberschätzung, auch Befangenheit, Kleinmut oder Mittelmaß stehen im Widerspruch zu echter Demut. Sie karikieren sie. Der Demütige überläßt sich Gottes Händen und freut sich, daß Gott Großes durch ihn tun will. Er wird großmütig, hochherzig, offen für große Unternehmungen , weil sie zur Ehre Gottes gereichen. Er wagt vieles, weil er mit Gottes Gnade rechnet, die alles vermag. Er ist kühn im Bitten, weil ihm die göttliche Hilfe niemals fehlen wird.

Sich beschenkt zu wissen befähigt den Demütigen zur Freude - und zwar nicht allein zu einer spirituellen Freude. Gegen Ende der Olympischen Spiele in Atlanta erschien ein Zeitungsbeitrag unter der Überschrift: »Bronze macht glücklicher als Silber« Dieses überraschende Phänomen wird mit einem »kontrafaktischen Denken« erklärt, das menschliches Empfinden prägt. Demnach zählt nicht nur das, was sich tatsächlich ereignet hat, sondern auch, was hätte eintreten können oder beinahe eingetreten wäre. Der zweite Platz weckt die Vorstellung von dem ganzen Triumph, den man hätte erringen können, wäre man Erster geworden. Drittplazierte dagegen schätzen sich glücklich, es gerade noch auf das Podest geschafft zu haben. Interviews wurden ausgewertet: während die Zweitbesten gern darüber sprachen, was sie beinahe erreicht hätten, haderten die Gewinner der Bronzemedaille weniger mit sich, ja sie äußerten sich zufrieden darüber, daß sie manches gerade noch abwenden konnten. Messungen anhand von Fernsehaufzeichnungen sollen ergeben haben, daß Bronzegewinner sichtlich glücklicher waren als die Silbermedaillengewinner.

Dienstbereite Nächstenliebe ist ein untrüglicher Indikator dafür, daß sich jemand um Demut bemüht. Der selige Josemaría Escrivá war sich nicht zu schade, in den Anfangszeiten des Opus Dei den jungen Menschen, die mit ihm zusammen in einem kleinen Studentenheim wohnten, die Zimmer zu reinigen und die Betten zu machen, da es an finanziellen Mitteln gänzlich fehlte. Später, so berichtet sein engster Mitarbeiter, rang er mit dem Heiligen Stuhl kindlich darum, daß ihm, dem Gründer, die brüderliche Zurechtweisung nicht vorenthalten werde, was in der Tat bis dahin in der Kirche nicht üblich gewesen war gegenüber Gründergestalten: »Das kann doch nicht sein. Alle meine Kinder können sich auf ein Hilfsmittel stützen, das seinen Ursprung im Evangelium hat, nämlich die brüderliche Zurechtweisung. Auch wenn es wehtun mag und sich beide Seiten - sie selbst und diejenigen, denen sie erteilt wird - dabei überwinden und demütig und abgetötet sein müssen, haben die anderen doch eine wunderbare Hilfe für ihre Heiligung. Und ich, der ich ein armseliger Mensch bin, und die, die mir folgen und die zwar besser als ich, aber auch nur armselige Menschen sein werden, wir sollen diese Hilfe zur Heiligung nicht bekommen?«15

Um besser zu verstehen, was Demut ist, haben wir in dieser Zeit des Gebetes Klassiker, Heilige und Sportler bemüht. Zitieren wir zum Schluß einen Dichter, damit es uns gelingt, Erdnahes glänzen zu sehen: »Sich zurückhalten an der erde / keinen schatten werfen auf andere / im schatten der anderen leuchten« 16.

14,1.7-14. - M.-J. Lagrange, Das Evangelium von Jesus Christus, Heidelberg 1949, S.381. - 14,1,7-11. - Bernhard von Cairvaux, Predigt zu Epiphanie. - Mutter Teresa, Beschaulich inmitten der Welt, Einsiedeln 1990, S.28. - J. Pieper, Lieben, Hoffen, Glauben, München 1986, S.206. - ebd., S.207. - J. Escrivá, Im Feuer der Schmiede, Nr.185. - Theresia von Avila, Seelenburg, 6,10,7. - Meister Eckhart, Die Gottesgeburt im Seelengrund, Freiburg 1990, S.90. - vgl. 1,26-38. - vgl. 1,47-49. - vgl. Lauretanische Litanei. - 1,46-47. - A. Portillo, Über den Gründer des Opus Dei, Köln 1996, S.195. - Reiner Kunze, auf eigene hoffnung, Frankfurt 1987, S. 33.

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