JAHRESKREIS
28. WOCHE - SAMSTAG
45
DIE SÜNDE
WIDER DEN HEILIGEN GEIST
Worin die
Sünde wider den Geist besteht.
Der Beistand des Heiligen Geistes.
Inmitten einer neuheidnischen Gesellschaft.
I. Das
Wort aus dem Lukasevangelium, das wir in der heutigen Messe hören, ist hart:
Jedem,
der etwas gegen den Menschensohn sagt, wird vergeben werden; wer aber den
Heiligen Geist lästert, dem wird nicht vergeben werden.
Noch härter klingt es bei Markus: ein solcher
findet in Ewigkeit keine Vergebung, sondern seine Sünde wird ewig an ihm haften.
Matthäus
vermittelt uns einen Einblick in die konkrete Situation, in der dieses Wort
fiel. Jesus hatte wieder einen Menschen geheilt, und viele fragten sich:
Ist er etwa der Sohn Davids?
Aber die Pharisäer wehren sich gegen das Augenfällige und erklären alles als
Werk Satans:
Nur mit Hilfe von Beelzebub, dem Anführer der Dämonen, kann er die Dämonen
austreiben.
Sie können die Tatsache nicht bestreiten, so suchen sie nach einer Erklärung,
die ihnen erlaubt, ihre Feindschaft gegen Jesus aufrechtzuerhalten. Sie
verweigern bewußt die Einsicht in die Wahrheit, sie sperren sich gegen die
gottgewirkten Zeichen und die Gnade.
Der
heilige Thomas erklärt »die Sünde gegen den Heiligen Geist als unvergebbar gemäß
ihrer eigenen Natur, sofern sie das ausschließt, wodurch die Vergebung der
Sünden bewirkt wird«5. Natürlich kann der unendlich barmherzige Gott jede Sünde
vergeben, er vergibt aber nicht gegen den Willen des Menschen. Mit anderen
Worten: dieser muß seine Sünde anerkennen.
Johannes
Paul II. sagt, die Lästerung gegen den Heiligen Geist sei »die Sünde jenes
Menschen, der sich auf sein vermeintliches >Recht< zum Verharren im Bösen - in
jeglicher Sünde - beruft und dadurch die Erlösung verwirft.
Ein
solcher Mensch bleibt in der Sünde gefangen, indem er von seiner Seite her seine
Bekehrung und damit die Sündenvergebung unmöglich macht, die er als unwesentlich
und unbedeutsam für sein Leben erachtet.«6
Heute
bitten wir den Herrn um Aufgeschlossenheit und um Demut, damit wir unsere Sünden
und Verfehlungen anerkennen können. Wir bitten ihn um ein feinfühliges Gewissen.
Wenn wir den Drang verspüren, auch die läßlichen Sünden zu bereuen, dann werden
wir nicht so leicht die menschliche Schwachheit als Ausrede für ein grobes
Gewissen gelten lassen.
Wir
bitten um die Gabe der heilsamen Gottesfurcht: »Wenn unser Blick getrübt ist und
unsere Sehkraft schwindet, müssen wir dichter an die Lichtquelle herantreten:
Christus hat uns gesagt, daß er das Licht der Welt ist und gekommen, um die
Kranken zu heilen.«7
II. »Wenn
der Herr Jesus zum Vater betet, >daß alle eins seien, wie auch wir eins sind< (
17,20-22), und damit Horizonte aufreißt, die der menschlichen Vernunft
unerreichbar sind, legt er eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit
der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und
der Liebe.«8 Stets ist im Tun Jesu der Heilige Geist wirksam, den der Herr beim
Letzten Abendmahl deutlich als eine Person kennzeichnet, die vom Vater und vom
Sohn verschieden ist. Er nennt ihn den Beistand9.
Das
griechische Urwort Paraklet bedeutet eigentlich »der Herbeigerufene« und meint
ursprünglich den vor Gericht zu Gunsten eines Angeklagten Redenden, den
Fürsprecher, den Helfer. Er ist unser Anwalt, Ratgeber, Tröster.
Er ist
unser Helfer vor der Instanz des eigenen Gewissens und wenn die göttliche
Barmherzigkeit im Bußsakrament über uns richtet. Er ist auch unser Ratgeber
gegen die inneren Widerstände des Hochmuts: »Das Wirken des Heiligen Geistes,
das auf das heilbringende >Offenlegen der Sünde< gerichtet ist, trifft im
Menschen, der sich in einer solchen Situation befindet, auf einen inneren
Widerstand, gleichsam auf eine undurchdringliche Wand seines Gewissens, auf eine
seelische Verfassung, die sich sozusagen aufgrund einer freien Wahl verfestigt
hat: Die Heilige Schrift nennt das gewöhnlich >Verhärtung des Herzens< (vgl.
81,13;
7,24;
3,5).
In
unserer Zeit entspricht dieser Verfassung des Geistes und des Herzens der
Verlust des Gespürs für die Sünde«10.
Das
Gegenteil zu dieser Haltung ist die Aufgeschlossenheit des Herzens, die
Sensibilität des Gewissens. Dadurch verabscheuen wir nicht nur die Sünde - auch
die kleinen Sünden -, sondern zeigen uns für die Eingebungen zum Guten
empfänglich. Die Kirche erbittet »beständig von Gott die Gnade, daß der Mensch
das rechte Gewissen nicht verliere und sein gesundes Gespür für das Gute und
Böse nicht abstumpfe.
Beides,
Gewissenhaftigkeit und Empfindsamkeit, sind zutiefst mit dem inneren Wirken des
Geistes der Wahrheit verbunden.«11
III. »Der
Widerstand gegen den Heiligen Geist« schreibt Johannes Paul II., »findet leider
in den verschiedenen Geschichtsepochen und besonders in unserer modernen Zeit
auch ihre äußere Dimension, indem er sich als Inhalt der Kultur und der
Zivilisation, als philosophisches System, als Ideologie, als Aktions- und
Bildungsprogramm für das menschliche Verhalten konkretisiert.
Dieser
Widerstand findet seinen höchsten Ausdruck im Materialismus« er ist »die
systematische und kohärente Weiterentwicklung jenes Widerstandes und
Gegensatzes, den Paulus mit den Worten aufzeigt: >Das Begehren des Fleisches
richtet sich gegen den Geist<, und wird oft zum Grundprinzip des persönlichen
und gesellschaftlichen Handelns«12.
Nicht nur
beim einzelnen, auch in der Gesellschaft schwindet das Gespür für die Sünde und
- ineins damit - das Gespür für Gott. Unbekümmert werden Haltungen oder
Ansichten, die dem christlichen sittlichen Empfinden entgegengesetzt sind, als
wertneutrale Formen der Selbstverwirklichung dargestellt. Sensationslust oder
Neugierde machen sittlich Verwerfliches - egal ob es sich um ein
öffentlichkeitswirksames Verhalten oder um ein privates Tun handelt -
interessant. Ob dadurch ein Mensch zugrunde geht, ob Familien zerbrechen, ob
Ärgernis entsteht, interessiert dann nicht mehr. In einer Ansprache an die
deutschen Bischöfe sagte Papst Johannes Paul II.: »Die allgemeine Anerkennung
der sogenannten >Grundwerte<, die ein menschenwürdiges Zusammenleben
ermöglichen, scheint in den modernen Gesellschaften immer mehr zu schrumpfen.
Ein rücksichtsloses Streben nach Macht und Reichtum, ein ungezügeltes
Geltungsbedürfnis und ein unkontrollierter Umgang mit der menschlichen
Sexualität werden dem heutigen Menschen zunehmend zum Verhängnis und zum
sittlichen Ruin.« Dadurch entwickelt sich ein Heidentum, das vielleicht
schlimmer ist alsjenes, das die Urchristen zu überwinden hatten.
Wenn wir
unser eigenes Leben beurteilen wollen, müssen wir uns von dieser frivolen
Atmosphäre frei machen. Wie oft steht hinter dieser oder jener Meldung, die als
interessant gilt, eine Beleidigung Gottes.
Der Papst
fährt in jener Ansprache an die deutschen Bischöfe fort: »Bemüht Euch darum in
der Verkündigung und in der Glaubensunterweisung mit Nachdruck um die
Vermittlung authentischer sittlicher Normen. Seid besonders wachsam, wenn auch
im Raum der Kirche moralische Verhaltensregeln propagiert oder faktisch
verbreitet werden, die sich weitgehend den Triebbedürfnissen der Menschen
anpassen, aber die wahre Freiheit eines Christen verraten.
Verzicht
und Geduld, Reifenlassen und Standfestigkeit dürfen nicht zu Fremdwörtern in
unserem täglichen Leben werden.«l3
Inmitten
eines oft verführerischen Ambiente sollen wir für das Wirken des Heiligen
Geistes offen bleiben. Er schenkt uns die notwendige Unterscheidungsgabe. »Wer
nach dem Geist leben möchte, in der Annahme und im Einklang mit seinem
Heilswirken, muß notwendig die inneren und äußeren Neigungen und Forderungen des
>Fleisches< (...) zurückweisen«14, sagt der Papst als Kommentar zu den Worten
des Apostels: Das Begehren des Geistes aber richtet sich gegen das Fleisch.15
Auch wenn
die Sünde wider den Geist unser christliches Leben nicht augenblicklich bedroht,
besteht immer die Gefahr allmählicher Gewöhnung, unbemerkter Ansteckung. Da
hilft nur, sich der Größe Gottes zu öffnen. In dem Augenblick, da Petrus die
Größe Christi aufging,
fiel er
Jesus zu Füßen und sagte: Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder.
Tod und Finsternis der Sünde erkennen wir nur im Hinschauen auf Christus, der
Licht und Leben ist:
Herr, du
weißt alles, du weißt, daß ich dich liebe17
Bitten
wir Maria, uns zu helfen, wach und offen für die Eingebungen des Heiligen
Geistes zu sein: bitten wir sie um ein geschärftes Gewissen, um ein feinfühliges
Gespür für das, was Gott beleidigt, um die Kraft, inmitten einer morbiden
Zivilisation aus dem »Leben« zu leben und es weiterzugeben.
12,10. -
3,29. -
12,23. -
12,24. -
Thomas von Aquin,
Summa
Theologica,
II-II,q.14,a.3. -
Johannes Paul II., Enz.
Dominum
et vivificantem,
46. -
J.Escrivá,
Im Feuer
der Schmiede,
Nr.158. -
II.Vat.Konz., Konst.
Gaudium et spes,
24. -
vgl.
14,16; 14,26; 15,26; 16,7-14. -
Johannes Paul II., Enz.
Dominum
et vivificantem,
47. -
ebd. -
ebd., 56. -
Johannes Paul II.,
Ansprache
an die deutschen Bischöfe,
16.1.1988, 4. -
ebd. -
5,17. -
5,8. -
21,17.