Jahreskreis
22. Woche - Mittwoch
33
die Hände
auflegen
Ein Tag
im Leben Jesu.
Sakramentales Heil.
Zeitgenossen Jesu in der Kirche.
I. Nach
seinem Besuch in der Synagoge von Kafarnaum - berichtet das heutige Evangelium1
- ging Jesus in das Haus des Simon. Markus2
ergänzt, daß es auch das Haus des Andreas war und daß Jakobus und Johannes
mitgingen. Die
Schwiegermutter des Simon hatte hohes Fieber, und sie baten ihn, ihr zu helfen.
Er trat zu ihr hin, beugte sich über sie - wahrscheinlich lag sie
auf einer Matte auf dem Boden -
und befahl dem Fieber zu weichen. Da wich es von ihr, und sie stand sofort auf
und sorgte für sie.
Aus dem,
was dann folgt, geht etwas über einen normalen Tag im Leben Jesu hervor.
Als die Sonne
unterging - damit war die Sabbatruhe vorüber, denn der
Sonnenuntergang war der Beginn des neuen Tages -, beeilten sich die Menschen,
ihre Kranken,
die alle möglichen Leiden hatten, zu Jesus zu bringen. Wieder gibt
Markus der Darstellung einen Tupfer Farbe:
Die ganze Stadt war vor der Haustür
versammelt. Mitten in diesem Gedränge lehrt und heilt Jesus bis
vermutlich weit in den Abend. Dann sucht er die Einsamkeit - nicht aus Überdruß
wegen der ihn bedrängenden Menge, sondern weil er sich nach Gebet sehnt. Aber
die Menschen lassen ihn nicht in Ruhe, wahrscheinlich haben sich inzwischen neue
Leute dazugesellt; sie suchten ihn
und als sie ihn fanden, wollten sie
ihn daran hindern wegzugehen. Die Sonne stand schon hoch am
Himmel, Zeit, an die Arbeit zu gehen. Für den Herrn heißt es: Weiterziehen:
Ich muß auch den
anderen Städten das Evangelium vom Reich Gottes verkünden; denn dazu bin ich
gesandt worden. Und er predigte in den Synagogen Judäas.
Lukas
richtet diesmal den Blick weniger auf die Leiden einzelner Kranker als auf eine
Gebärde Jesu: Er
legte jedem Kranken die Hände auf. Manchmal bittet ihn jemand
darum: Leg ihr
deine Hand auf, dann wird sie wieder lebendig3,
sagt der Synagogenvorsteher, dessen Tochter eben gestorben ist. Und auf dem Weg
dorthin trat
eine Frau, die schon zwölf Jahre an Blutungen litt, von hinten an ihn heran und
berührte den Saum seines Gewandes, denn sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein
Gewand berühre, werde ich geheilt.
Es gehört
zu unseren Umgangsformen, einen Menschen mit Handschlag, Umarmung oder Kuß zu
begrüßen. Bei der Menge mag Neugier oder Bewunderung im Spiel sein, den
Prominenten nicht nur zu sehen, sondern ihm auch die Hand zu reichen, heute
würde man ihn um ein Autogramm bitten. Doch das Evangelium nennt einen anderen
Grund, der die Menschen bewegte:
es ging eine Kraft von ihm aus, die
alle heilte4.
Es war nur erst eine Ahnung von Heil darin, noch nicht der sichere Glauben an
den menschgewordenen Sohn Gottes, dessen ganzes Leben »Offenbarung des Vaters«
und »Erlösungsgeheimnis«5 ist. Im Glauben an die Menschwerdung bekennen wir, daß
die heiligste Menschheit unseres Herrn gleichsam der Kanal ist, durch den uns
die göttliche Barmherzigkeit erreicht: »Durch seine Taten, seine Wunder, seine
Worte wurde offenbar, daß in ihm >die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig< wohnt
(Kol
2,9). Sein Menschsein erscheint so als das >Sakrament<, das heißt als Zeichen
und Werkzeug seiner Gottheit und des Heils, das er bringt.«6
Er legte
jedem Kranken die Hände auf...
Jeder Mensch ist für Jesus ein Einzelner, keiner geht für ihn in der Menge
unter. Was Christus damals tat, das sollen wir an seiner Stelle heute tun. »Wir
müssen allen dienen, jedem einzelnen die Hände auflegen, wie Christus es getan
hat - >singulis manus imponens<: Sie sollen wieder ihr persönliches Leben
gewinnen und mit klarer Einsicht und gestärktem Willen ihre Aufgabe wahrnehmen
können.«7
II.
Uralte Ahnungen in vielen Religionen verbinden mit der Gebärde der Handauflegung
Kraftübertragung. Zahlreiche Beispiele aus dem Alten Testament zeigen, daß es
nicht bloß um Berührung geht, zur Geste kommt immer das Wort hinzu: die Bitte um
den göttlichen Segen. Wenn indessen Christus die Hand auflegt, bittet er nicht,
sondern gibt. Seine Handauflegung ist gewissermaßen das Urbild des Segnens: »Was
im Segen eigentlich wirkt, was im wesenhaften Segen, von dem alles Natürliche
nur ein Gleichnis bildet, eigentlich strömt, ist Gottes eigenes Leben. Er segnet
mit sich selbst, segnend gibt er sich selbst. Sein Segnen ist Zeugung göttlichen
Lebens, zur >Teilnahme an der göttlichen Natur<. Das aber ist Gnade, Gottes
Geschenk, uns gegeben in Christus.«8 Deshalb ist die Handauflegung
hineingenommen in den sakramentalen Ritus.
Er legte
jedem Kranken die Hände auf und heilte alle...
Wie der Gestus ist auch die Heilung der Krankheit ein Zeichen: Zeichen für die
Genesung vom Urleiden des Menschen: der Sünde. Der Gelähmte und die Freunde, die
ihn zu Jesus hintrugen9,
erwarteten die körperliche Heilung. Doch der Herr sah, was weder der Kranke noch
die Freunde sahen, und sagte deshalb als erstes zu dem Kranken:
Mein Sohn, deine
Sünden sind dir vergeben. Und dann, an seine Kritiker gerichtet:
Ist es leichter, zu dem Gelähmten zu sagen: Deine Sünden sind dir vergeben!,
oder zu sagen: Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh umher? Ihr sollt aber
erkennen, daß der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu
vergeben. (...) Ich sage dir: Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh nach
Hause!
Die
Handauflegung im heutigen Evangelium spiegelt jene universale Handauflegung -
über alle Menschen und Zeiten -, die mit der Menschwerdung und dem Tod am Kreuz
geschieht. Irenäus von Lyon schreibt: »Der Sohn Gottes - für alle gekreuzigt -
hat alles mit dem Zeichen des Kreuzes gezeichnet.«10 Ähnlich äußert sich Papst
Leo der Große, wenn er predigt: »Was also an unserem Erlöser sichtbar war, ist
übergegangen in die Sakramente. Damit unser Glaube verdienstlicher und fester
würde, ist an die Stelle der >sinnlichen Wahrnehmung< die >Lehre< getreten,
deren gewichtigem Worte die von himmlischen Strahlen erleuchteten Herzen der
Gläubigen folgen sollen.«11
Gott hat
durch seine Menschwerdung »berührbar« werden wollen. Wir können nicht Jesu Hände
auf unserem Haupt spüren wie damals die Kranken. Aber »Christus, der >zur
Rechten des Vaters sitzt< und den Heiligen Geist in seinem Leib, der Kirche,
ausbreitet, handelt jetzt durch die Sakramente, die er zur Mitteilung seiner
Gnade eingesetzt hat. Die Sakramente sind durch die Sinne wahrnehmbare Zeichen
(Worte und Handlungen), die unserer Menschennatur zugänglich sind. Kraft des
Wirkens Christi und des Waltens des Heiligen Geistes bewirken sie die Gnade, die
sie bezeichnen.«12 Das reinigende Wasser der Taufe, das Salböl der Firmung, das
vergebende Wort im Bußsakrament, Brot und Wein in der Eucharlstie - alle
Sakramente sind »= 12 Das reinigende Wasser der Taufe, das Salböl der Firmung,
das vergebende Wort im Bußsakrament, Brot und Wein in der Eucharistie - alle
Sakramente sind dramatische Christushandlungen, in die der Mensch mit seinem
eigenen Handeln eingehen soll und darf«13.
III.
Ich muß auch den
anderen Städten das Evangelium vom Reich Gottes verkünden; denn dazu bin ich
gesandt worden. »Im Unterschied zu seinem Vorläufer Johannes dem
Täufer, der die Menschen, die von überall herkamen, an einem abgelegenen Ort, am
Jordan, lehrte, geht Jesus denen entgegen, denen er die Frohbotschaft verkünden
soll. In seiner Hinwendung zum Volk kann man eine Widerspiegelung der Dynamik
sehen, die dem Geheimnis der Menschwerdung selbst innewohnt: das Zugehen Gottes
auf die Menschen.«14
Für die
Zeitgenossen des Herrn war er sinnenhaft erfahrbar; viele, die ihn sahen, ahnten
indessen nicht:
Wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat.15
Sie hörten ihn, erkannten jedoch nicht:
Das ist mein geliebter Sohn (...),
auf ihn sollt ihr hören.16
Und viele, die in den Handauflegungen und Krankenheilungen eine messianische
Zeit anbrechen sahen, nahmen noch nicht die wahre Gestalt des Messias wahr: als
den Befreier und Erlöser von der Sünde. Wir sind nicht, wie die Menschen damals,
Christi Zeitgenossen. Aber wir erfahren nicht minder die Handauflegung des
Herrn, denn »in Jesus Christus, dem fleischgewordenen Wort, wird die Zeit zu
einer Dimension Gottes, der in sich ewig ist«17. Wir berühren ihn weniger
leibhaftig als die Menschen damals, doch im Geiste intensiver, denn wir bekennen
ihn als den erhabenen Hohenpriester18, der durch sein Opfer die Sünden
tiat19 und durch sein Blut unser Gewissen von
toten Werken reinigt20. In diesem Sinne sind auch wir Zeitgenossen Jesu - im
neuen Bund der Kirche.«
Die
Kirche berührt mit Gottes Wort unser Ohr. Wie nahe ist uns Jesus auch heute in
seiner heiligsten Menschheit, wenn wir das Evangelium aufmerksam lesen! Wir
beziehen seine Worte auf uns: die Gleichnisse, die Seligpreisungen, den Ruf zur
Nachfolge, die Mahnung zur Wachsamkeit, die Zusage der Vergebung. Wieviel Nähe,
wieviele Berührungen Christi sind daraus erwachsen als Formen der Frömmigkeit,
die Herz und Gemüt ansprechen wie der Kreuzweg, der Rosenkranz, die Verehrung
des Herzens Jesu!
Christus
legt durch die Kirche einem jeden von uns die Hand auf. Aber gleichzeitig will
er, daß wir - jeder in seiner Lebenssituation, als Zeuge - anderen die Hand
auflegen. Die »Kraft göttlichen Segens hat er denen verliehen, die an seiner
Stelle stehen. Aus dem Geheimnis der christlichen Ehe hat sie der Vater, hat sie
die Mutter. Aus dem Geheimnis der Weihe hat sie der Priester. Aus dem Geheimnis
der Taufe und der Firmung heraus wird sie dem gegeben, der >Gott liebt aus
seinem ganzen Herzen, aus seinem ganzen Gemüte und aus allen seinen Kräften und
seinen Nächsten wie sich selbst<. Diesen allen hat Gott die Gewalt gegeben, mit
Seinem eigenen Leben zu segnen - jedem in verschiedener Weise, nach der Weise
seiner Sendung«21
Lassen
wir uns von dem Verlangen Jesu nach Menschen anstecken! Nützen wir
Gelegenheiten, uns Nahestehenden sozusagen die Hand aufzulegen! Geben wir uns
nicht zufrieden mit ein paar Freunden! Fragen wir uns, wie wir weitere Menschen
erreichen können, die durch den Kontakt mit einem, der Christus kennt und liebt,
ihn selbst besser kennenlernen und anfangen, ihn zu lieben. Wie vielen können
wir auf diese Weise
die Hände auflegen!
Jedem gegenüber werden wir es so tun, wie es seiner Situation entspricht, denn
ein Arzt gibt ja nicht jedem Patienten das gleiche Rezept. Vielleicht überrascht
es den einen oder anderen, wie diese
Handauflegung ihre
Situation und ihre Probleme beeinflußt.
Unser apostolisches Zeugnis muß
geduldig sein, getragen von Gebet und Opfer für die Menschen, denen wir helfen
möchten. Manche werden vielleicht nur langsam vorankommen, dann wird uns der
Herr die Gnade der Geduld schenken.
Schauen
wir also betend auf Christus, wie er Leidenden die Hand auflegt. Bitten wir
Maria um die Kraft, gute Zeugen zu sein. Denn dazu hat Gott uns durch Taufe und
Firmung befähigt und bestellt.
Lk
4,38-44. -
2 vgl.
Mk
1,29-39. -
3
Mt
9,18-26. -
4
Lk
6,19. -
5
Katechismus der Katholischen Kirche, 516, 517. -
6
ebd., 515. -
7 J. Escrivá,
Im
Feuer der Schmiede, Nr.901. -
8 R. Guardini,
Von
heiligen Zeichen, Mainz 1992, S.64. -
9
vgl. Mk 2,1-12. -
10 Irenäus von Lyon,
Erweis
der apostolischen Verkündigung. -
11 Leo der Große,
Predigt, 74. -
12
Katechismus der Katholischen Kirche, 1084. -
13
L. Scheffczyk,
Die spezifische Heilswirkung des
Bußsakramentes in:
Erneuerung durch Buße,
St. Augustin 1978, S.38. -
14 Johannes Paul II.,
Katechese, 20.4.1988. -
15
Joh
12,45. -
16
Mt
17,5. -
17 Johannes Paul II.,
Apost. Schreiben
Tertio millennio adveniente,
10.11.1994, 10. -
18
Hebr
4,14. -
19 vgl.
Hebr
9,26. -
20 vgl.
Hebr
9,14. -
21 R. Guardini, a.a.O.,
S.65.