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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
30. WOCHE - FREITAG

8

MUTIG UND KONSEQUENT

Jesu geradlinige Art.
Der Mut, treu zu sein.
Die Heiligen: der Zeit geben, was sie braucht.

I. Wieder einmal ist Jesus zu Gast bei einem angesehenen Pharisäer.1 Es ist Sabbat. Vielleicht hatte der Herr in der Synagoge das Wort Gottes verkündet. »Es galt als ein verdienstliches Werk, angesehene Lehrer, die den Synagogenvortrag gehalten hatten, durch eine Einladung zu einer Festmahlzeit zu ehren. Die Sabbatruhe war kein Hindernis, da man die Speisen bereits am Freitag zubereitete (daher der Name >Rüsttag< für den Freitag).«2 Jedoch ist hier die Ehrung Jesu nur Schein; denn der Hausherr und mancher unter den Geladenen sind auf der Lauer, um Jesus als Gesetzesübertreter bloßzustellen. Jesus weiß das, doch es hält ihn nicht davon ab, die Einladung anzunehmen. Tischgemeinschaft hat im Orient einen viel höheren Stellenwert als bei uns und ist Symbol für Lebensgemeinschaft.

Da stand auf einmal ein Mann vor ihm, der an Wassersucht litt. Der Evangelist gibt uns keine Erklärung, woher er kommt und wieso er plötzlich dasteht. An anderen Stellen des Evangeliums begegnen uns ähnliche Situationen, deren Hintergrund der für uns eher befremdliche orientalische Brauch ist, jedermann zu einem Gastmahl zuzulassen.3 Lediglich die Krankheit dieses Mannes findet Erwähnung - sonst nichts. Er stand plötzlich vor dem Herrn. Die sachlich gehaltene Auskunft mag zur Einstimmung in unser Gebet dienen: einfach vor dem Herrn dastehen, seinen barmherzigen Blick auf uns ziehen, schweigen und wissen, daß er uns hört und uns sieht und alle Sünden vergeben, alle Gebrechen heilen will.

Wir wollen nicht Jesu Barmherzigkeit in die Mitte unseres heutigen Gebetes stellen - wie er den Mann sogleich heilt, auch wenn Sabbat ist -, sondern die geradlinige Art seines Handelns trotz der feindseligen Atmosphäre. Von jenen, die sich für Lehrer und vollkommene Ausleger des Gesetzes halten, hören wir - im Unterschied zu anderen Passagen des Evangeliums - kein Wort. Vom Herrn vernehmen wir eine kurze Bemerkung darüber, daß Barmherzigkeit üben nicht im Widerspruch zum Sabbatgebot stehen kann: Wer von euch wird seinen Sohn oder seinen Ochsen, der in den Brunnen fällt, nicht sofort herausziehen, auch am Sabbat? Es heißt dann: Darauf konnten sie ihm nichts erwidern. Vielleicht wurden einige nachdenklich, vielleicht verhärteten andere ihr Herz.

Argwöhnisches Verhalten aus Heuchelei, aus Übelwollen oder einfach aus Unwissenheit: Nicht selten bekommen wir solche Reaktionen zu spüren, wenn wir den Glauben entschieden zu leben uns bemühen. Es ist dann der Moment gekommen, an die Entschiedenheit des Herrn zu denken und nicht opportunistisch zu reagieren, sondern gemäß dem Glauben, den wir bekennen. Ein von Ängstlichkeiten oder Komplexen freies, glaubensbestimmtes Verhalten kann apostolisch sehr wirksam sein. Und umgekehrt: »Es wird einem angst und bange beim Gedanken an das Unheil, das wir anrichten können, wenn wir uns von der Furcht oder der Scham anstecken lassen, uns im alltäglichen Leben als Christen zu bekennen.«4

Geradliniges Handeln als Folge eines tiefverwurzelten Glaubens: dies ist die Lektion, die wir beim Betrachten dieser Szene aus dem Evangelium lernen können.

II. Das ganze Leben unseres Herrn steht unter seinem Wort: Dazu bin ich gekommen. Sein Sendungsbewußtsein wurzelt im Ja zum Willen des Vaters. Er will sich der Wirklichkeit aussetzen. Niemals sehen wir ihn schwankend oder unschlüssig. »Haben wir einmal über den wahrhaft göttlichen Mut Christi nachgedacht? Ist uns klar geworden, welche Tapferkeit in Jesu Herz brannte, als er, der aus der Nähe - Johannes sagt: >von der Brust< - des Vaters kam und in die irdische Welt eintrat, wie sie ist? In all die Lüge, den Mordwillen, die kümmerliche Enge unseres Daseins? (...) Wir Menschen leben die Welt nicht, wie sie ist, sondern wählen aus ihr aus, was uns zusagt: Er hat angenommen, was der Gang der Dinge über ihn brachte, denn so war der Wille des Vaters. Wir wissen uns anzupassen, auszuweichen, Vorteile zu suchen. Er war von solcher Art, hat in solcher Weise gesprochen und gehandelt, daß das Schlimmste im Menschen sich herausgefordert fühlte; daß, wie es im Lukasevangelium heißt: >die Gedanken<, die verborgene Gesinnung, >im Herzen vieler offenbar wurden< (Lk 2,35)«5.

Jesus geht seinen Weg mitfühlend mit jenen, die ihm folgen, aber unabhängig davon, ob sie ihn verstehen oder nicht. Nirgendwo haben wir den Eindruck, daß er das Wesentliche dem bloß Opportunen opfert. Er lehrt uns, konsequent zu sein ohne falsche Rücksichtnahme auf Stimmungen, wenn es um die Ehre Gottes oder die Treue zum Glauben geht. Nur wer auf die Ratschlüsse Gottes mit dem Menschen halbherzig reagiert, wird es dahin kommen lassen, der Treue die Zweckmäßigkeit und der Liebe die Laune vorzuziehen. Die Meinung der Menschen stellt er so höher als das Urteil Gottes und er vergißt dabei die Worte des Herrn: Wer sich vor dieser treulosen und sündigen Generation meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommt.6

Es ist so leicht, mit dem Strom zu schwimmen: Der eine will sich eine unangenehme Situation ersparen, der andere befürchtet vielleicht, ein Amt zu verlieren, ein Dritter möchte einfach »wie alle« sein und in der Anonymität aufgehen. Der Kirchenvater Johannes Chrysostomos, der sich durch seine unerschrokene Mahnpredigten den kaiserlichen Zorn zuzog, schreibt an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert: »Leuchte durch dein Leben und kümmere dich nicht um die Reden der Bösen. Es gab ja noch niemand, gar niemand, dem die Tugend am Herzen gelegen wäre und der nicht viele Feinde gehabt hätte. Das macht aber dem Tugendhaften gar nichts aus; er wird ob solcher Dinge nur in um so hellerem Lichte erglänzen.« Der Heilige, der viele Intrigen durchzustehen hatte, sagt weiter: »Beherzigen wir dies also, und behalten wir nur eines im Auge, in unserem eigenen Leben recht genau und gewissenhaft zu sein; auf diese Weise werden wir auch jene, die noch in Finsternis sitzen, zu diesem Leben führen. So groß ist eben die Macht dieses Lichtes, daß es nicht nur hienieden leuchtet, sondern diejenigen, die ihm folgen, auch hinüber ins Jenseits geleitet.«7

Ein Leben, das unerschrocken der eigenen Überzeugung folgt, kann manchen nachdenklich stimmen. Oft ist dies der Anstoß, durch den andere Menschen zum Glauben finden. Das gute, lautere Beispiel hinterläßt immer eine verlockende Spur.

Es stimmt, jeder neigt dazu, Verhaltensweisen zu meiden, die ihm Verachtung oder Spott einbringen könnten. Aber ebenso stimmt es, daß die Liebe zu Christus - wieviel schulden wir ihm doch! - uns anspornt, solche Versuchungen zu überwinden und eine innere Freiheit zu gewinnen - »die Freiheit der Kinder Gottes« die uns befähigt, unverkrampft und gelassen in einem feindlichen Milieu für unsere Glaubensüberzeugungen einzustehen.»

III. Es gibt »eine Art von leichtsinnigen Menschen, die wohl ein bewußtes sittliches Streben besitzen, sich aber aus einer gewissen Oberflächlichkeit und Verspieltheit ihres Wesens mit einem sehr unklaren Wertfundament begnügen für ihre Stellungnahmen. Sie nehmen sich nicht die Mühe, sich bis zu einer Evidenz der Wertfrage im jeweiligen Fall durchzuarbeiten. Auf den bloßen Anschein des Guten oder Schönen hin entscheiden sie sich in schwerwiegenden Fällen. Was die öffentliche Meinung sagt, wozu ein Bekannter rät, was durch Gewohnheit ihnen als richtig erscheint, genügt, um sie zu einer Stellungnahme in einer Sache zu veranlassen.«8 Die Heiligen dagegen sind ganz anders. Durch ihr geradliniges Handeln legen sie dem jeweiligen Zeitgeist gegenüber eine Gleichgültigkeit an den Tag, die letztlich in dem gründet, was Paulus die Fülle der Zeit9 nennt, getragen von der Gegenwart des menschgewordenen Gottes in der Geschichte.

Kein Heiliger hat sich übermäßig um einen angepaßten Erdenwandel bemüht. Aufmerksam für ihre Umwelt, machen sie sie indessen nicht zum Maßstab ihres Handelns. Deshalb haben viele von ihnen das Unverständnis ihrer Zeitgenossen erfahren und erleiden müssen. Die Bettelmönche Thomas und Bonaventura galten dem Weltklerus an der Pariser Universität im 13. Jahrhundert als anstößige Neuerer, zur gleichen Zeit galt Franz von Assisi seinen umbrischen Mitbürgern als verrückter Romantiker. Am englischen Hof sah man in Thomas Morus einen starrsinnigen, unbelehrbaren Papisten, und Theresia von Avila wurde wegen ihres Bestrebens, die Ordensregel des Karmel auf ihre Ursprünge zurückzuführen, für ein rückständiges, »unstetes Weib« gehalten. Der selige Josernaría Escrivá mußte in unserer Zeit die Erfahrung machen wie Johannes Bosco hundert Jahre vor ihm; Don Bosco berichtet in seinen Aufzeichnungen, die einen hätten sein Werk für revolutionär, andere für ketzerisch, wieder andere schlicht für verrückt gehalten. Meistens hat es Jahrzehnte bedurft, bis man die Unzeitgemäßheit der Heiligen als prophetisches Zeugnis erkannt hat. Sie geben jeweils ihrer Zeit, was sie braucht, nicht was sie zu brauchen meint.

Aus der Frühzeit des Glaubens besitzen wir das Beispiel der zwei Jünger Josef von Arimathäa und Nikodemus. Sie treten nicht zur Zeit der großen Wunder als Jünger Christi auf, erst in der Stunde der Verachtung, als sich die gesamte »öffentliche Meinung« gegen ihn wandte, sind sie zur Stelle. Ähnlich verhielten sich die Apostel vor dem Hohen Rat. Denn für sie gilt: Das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft.10

In unserer Zeit mögen es viele für hinterwäldlerisch halten, treu zu sein in der Ehe, sich anständig im Geschäftsleben zu verhalten, offen für eine kinderreiche Familie und die damit einhergehenden materiellen Entbehrungen zu sein, die christliche Aszese als Fasten und Buße des Leibes ernst zu nehmen. Paulus, der sich des Evangeliums nicht schämt11, schreibt an Timotheus: Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Schäme dich also nicht, dich zu unserem Herrn zu bekennen, schäme dich auch meiner nicht, der ich seinetwegen im Gefängnis bin; sondern leide mit mir für das Evangelium. Gott gibt dazu die Kraft.12

Ausgangspunkt unseres Gebetes war die Heilung des Kranken im Hause des argwöhnischen Pharisäers. Inmitten jener feindseligen Atmosphäre läßt sich Jesus nicht durch alle möglichen Überlegungen davon abhalten: es war Sabbat, die Menschen werden ihn kritisieren ... Wohlmeinende hätten ihm vielleicht geraten: Warte doch auf eine bessere Gelegenheit, nimm Rücksicht auf die Engstirnigkeit der Tischgenossen. Der Herr tut indessen, was die Barmherzigkeit erfordert und die sinnvolle Auslegung des Gesetzes ermöglicht, auch wenn viele daran Anstoß nehmen.

Auch uns muß allein dies wichtig sein: wie sich etwas in den Augen Gottes ausnimmt. Nur wirkliche Klugheit, nicht Feigheit oder Bequemlichkeit kann begründen, daß wir einmal schweigen oder ein gutes Werk unterlassen. Wiewiel Gutes werden wir unseren Mitmenschen erweisen, wenn unser Leben mit unserem Glauben harmoniert! Wie wird sich der Herr freuen, wenn er uns als seine wahren Jünger erkennt, die sich nicht verstecken und sich nicht schämen!

Maria ist uns ein Vorbild der Festigkeit in schweren Stunden - sie steht ganz nahe bei ihrem Sohn, während ihn die Menschen ringsum verspotten und sein Werk für gescheitert erklären.

Lk 14,1-6. - 2 Regensburger Neues Testament, Bd.3, Regensburg 1955, S.242. - 3 vgl. Mk 2,16; Lk 7,37. - 4 J.Escrivá, Die Spur des Sämanns, Nr.36. - 5 R.Guardini, Tugenden, Mainz 1987, S.100. - 6 Mk 8,38. - 7 Johannes Chrysostomos, Homilien über das Matthäusevangelium, 15,9. - 8 Dietrich von Hildebrand, Sittliche Grundhaltungen, Regensburg 1969, S.47. - 9 Gal 4,4. - 10 1 Kor 1,18-18. - 11 vgl. Röm 1,16. - 12 2 Tim 1, 7-8.

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