JAHRESKREIS
30. WOCHE - FREITAG
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MUTIG UND 
KONSEQUENT
Jesu 
geradlinige Art.
Der Mut, treu zu sein.
Die Heiligen: der Zeit geben, was sie braucht.
I. Wieder 
einmal ist Jesus zu Gast bei einem angesehenen Pharisäer.1 
Es ist Sabbat. Vielleicht hatte der Herr in der Synagoge das Wort Gottes 
verkündet. »Es galt als ein verdienstliches Werk, angesehene Lehrer, die den 
Synagogenvortrag gehalten hatten, durch eine Einladung zu einer Festmahlzeit zu 
ehren. Die Sabbatruhe war kein Hindernis, da man die Speisen bereits am Freitag 
zubereitete (daher der Name >Rüsttag< für den Freitag).«2 Jedoch ist hier die 
Ehrung Jesu nur Schein; denn der Hausherr und mancher unter den Geladenen sind 
auf der Lauer, um Jesus als Gesetzesübertreter bloßzustellen. Jesus weiß das, 
doch es hält ihn nicht davon ab, die Einladung anzunehmen. Tischgemeinschaft hat 
im Orient einen viel höheren Stellenwert als bei uns und ist Symbol für 
Lebensgemeinschaft.
Da stand 
auf einmal ein Mann vor ihm, der an Wassersucht litt. 
Der Evangelist gibt uns keine Erklärung, woher er kommt und wieso er plötzlich 
dasteht. An anderen Stellen des Evangeliums begegnen uns ähnliche Situationen, 
deren Hintergrund der für uns eher befremdliche orientalische Brauch ist, 
jedermann zu einem Gastmahl zuzulassen.3 
Lediglich die Krankheit dieses Mannes findet Erwähnung - sonst nichts. Er stand 
plötzlich vor dem Herrn. Die sachlich gehaltene Auskunft mag zur Einstimmung in 
unser Gebet dienen: einfach vor dem Herrn dastehen, seinen barmherzigen Blick 
auf uns ziehen, schweigen und wissen, daß er uns hört und uns sieht und alle 
Sünden vergeben, alle Gebrechen heilen will.
Wir 
wollen nicht Jesu Barmherzigkeit in die Mitte unseres heutigen Gebetes stellen - 
wie er den Mann sogleich heilt, auch wenn Sabbat ist -, sondern die geradlinige 
Art seines Handelns trotz der feindseligen Atmosphäre. Von jenen, die sich für 
Lehrer und vollkommene Ausleger des Gesetzes halten, hören wir - im Unterschied 
zu anderen Passagen des Evangeliums - kein Wort. Vom Herrn vernehmen wir eine 
kurze Bemerkung darüber, daß Barmherzigkeit üben nicht im Widerspruch zum 
Sabbatgebot stehen kann: 
Wer von euch wird seinen Sohn oder 
seinen Ochsen, der in den Brunnen fällt, nicht sofort herausziehen, auch am 
Sabbat? Es heißt dann: 
Darauf konnten sie ihm nichts 
erwidern. Vielleicht wurden einige nachdenklich, vielleicht 
verhärteten andere ihr Herz.
Argwöhnisches Verhalten aus Heuchelei, aus Übelwollen oder einfach aus 
Unwissenheit: Nicht selten bekommen wir solche Reaktionen zu spüren, wenn wir 
den Glauben entschieden zu leben uns bemühen. Es ist dann der Moment gekommen, 
an die Entschiedenheit des Herrn zu denken und nicht opportunistisch zu 
reagieren, sondern gemäß dem Glauben, den wir bekennen. Ein von Ängstlichkeiten 
oder Komplexen freies, glaubensbestimmtes Verhalten kann apostolisch sehr 
wirksam sein. Und umgekehrt: »Es wird einem angst und bange beim Gedanken an das 
Unheil, das wir anrichten können, wenn wir uns von der Furcht oder der Scham 
anstecken lassen, uns im alltäglichen Leben als Christen zu bekennen.«4
Geradliniges Handeln als Folge eines tiefverwurzelten Glaubens: dies ist die 
Lektion, die wir beim Betrachten dieser Szene aus dem Evangelium lernen können.
II. Das 
ganze Leben unseres Herrn steht unter seinem Wort: 
Dazu bin ich gekommen. Sein Sendungsbewußtsein wurzelt im Ja zum 
Willen des Vaters. Er will sich der Wirklichkeit aussetzen. Niemals sehen wir 
ihn schwankend oder unschlüssig. »Haben wir einmal über den wahrhaft göttlichen 
Mut Christi nachgedacht? Ist uns klar geworden, welche Tapferkeit in Jesu Herz 
brannte, als er, der aus der Nähe - Johannes sagt: >von der Brust< - des Vaters 
kam und in die irdische Welt eintrat, wie sie ist? In all die Lüge, den 
Mordwillen, die kümmerliche Enge unseres Daseins? (...) Wir Menschen leben die 
Welt nicht, wie sie ist, sondern wählen aus ihr aus, was uns zusagt: Er hat 
angenommen, was der Gang der Dinge über ihn brachte, denn so war der Wille des 
Vaters. Wir wissen uns anzupassen, auszuweichen, Vorteile zu suchen. Er war von 
solcher Art, hat in solcher Weise gesprochen und gehandelt, daß das Schlimmste 
im Menschen sich herausgefordert fühlte; daß, wie es im Lukasevangelium heißt: 
>die Gedanken<, die verborgene Gesinnung, >im Herzen vieler offenbar wurden< (Lk 
2,35)«5.
Jesus 
geht seinen Weg mitfühlend mit jenen, die ihm folgen, aber unabhängig davon, ob 
sie ihn verstehen oder nicht. Nirgendwo haben wir den Eindruck, daß er das 
Wesentliche dem bloß Opportunen opfert. Er lehrt uns, konsequent zu sein ohne 
falsche Rücksichtnahme auf Stimmungen, wenn es um die Ehre Gottes oder die Treue 
zum Glauben geht. Nur wer auf die Ratschlüsse Gottes mit dem Menschen halbherzig 
reagiert, wird es dahin kommen lassen, der Treue die Zweckmäßigkeit und der 
Liebe die Laune vorzuziehen. Die Meinung der Menschen stellt er so höher als das 
Urteil Gottes und er vergißt dabei die Worte des Herrn: 
Wer sich vor dieser treulosen und 
sündigen Generation meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der 
Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln in der Hoheit seines 
Vaters kommt.6
Es ist so 
leicht, mit dem Strom zu schwimmen: Der eine will sich eine unangenehme 
Situation ersparen, der andere befürchtet vielleicht, ein Amt zu verlieren, ein 
Dritter möchte einfach »wie alle« 
sein und in der Anonymität aufgehen. Der Kirchenvater 
Johannes 
Chrysostomos, der sich durch seine unerschrokene 
Mahnpredigten den kaiserlichen Zorn zuzog, schreibt an der Wende vom 4. zum 5. 
Jahrhundert: »Leuchte 
durch dein Leben und kümmere dich nicht um die Reden der Bösen. Es gab ja noch 
niemand, gar niemand, dem die Tugend am Herzen gelegen wäre und der nicht viele 
Feinde gehabt hätte. Das macht aber dem Tugendhaften gar nichts aus; er wird ob 
solcher Dinge nur in um so hellerem Lichte erglänzen.« 
Der Heilige, der viele Intrigen durchzustehen hatte, sagt weiter: »Beherzigen 
wir dies also, und behalten wir nur eines im Auge, in unserem eigenen Leben 
recht genau und gewissenhaft zu sein; auf diese Weise werden wir auch jene, die 
noch in Finsternis sitzen, zu diesem Leben führen. So groß ist eben die Macht 
dieses Lichtes, daß es nicht nur hienieden leuchtet, sondern diejenigen, die ihm 
folgen, auch hinüber ins Jenseits geleitet.«7
Ein 
Leben, das unerschrocken der eigenen Überzeugung folgt, kann manchen 
nachdenklich stimmen. Oft ist dies der Anstoß, durch den andere Menschen zum 
Glauben finden. Das gute, lautere Beispiel hinterläßt immer eine verlockende 
Spur.
Es 
stimmt, jeder neigt dazu, Verhaltensweisen zu meiden, die ihm Verachtung oder 
Spott einbringen könnten. Aber ebenso stimmt es, daß die Liebe zu Christus - 
wieviel schulden wir ihm doch! - uns anspornt, solche Versuchungen zu überwinden 
und eine innere Freiheit zu gewinnen - »die Freiheit der Kinder Gottes« die uns 
befähigt, unverkrampft und gelassen in einem feindlichen Milieu für unsere 
Glaubensüberzeugungen einzustehen.»
III. Es 
gibt »eine Art von leichtsinnigen Menschen, die wohl ein bewußtes sittliches 
Streben besitzen, sich aber aus einer gewissen Oberflächlichkeit und 
Verspieltheit ihres Wesens mit einem sehr unklaren Wertfundament begnügen für 
ihre Stellungnahmen. Sie nehmen sich nicht die Mühe, sich bis zu einer Evidenz 
der Wertfrage im jeweiligen Fall durchzuarbeiten. Auf den bloßen Anschein des 
Guten oder Schönen hin entscheiden sie sich in schwerwiegenden Fällen. Was die 
öffentliche Meinung sagt, wozu ein Bekannter rät, was durch Gewohnheit ihnen als 
richtig erscheint, genügt, um sie zu einer Stellungnahme in einer Sache zu 
veranlassen.«8 Die Heiligen dagegen sind ganz anders. Durch ihr geradliniges 
Handeln legen sie dem jeweiligen Zeitgeist gegenüber eine Gleichgültigkeit an 
den Tag, die letztlich in dem gründet, was Paulus die Fülle der Zeit9 
nennt, getragen von der Gegenwart des menschgewordenen Gottes in der Geschichte.
Kein 
Heiliger hat sich übermäßig um einen angepaßten Erdenwandel bemüht. Aufmerksam 
für ihre Umwelt, machen sie sie indessen nicht zum Maßstab ihres Handelns. 
Deshalb haben viele von ihnen das Unverständnis ihrer Zeitgenossen erfahren und 
erleiden müssen. Die Bettelmönche Thomas und Bonaventura galten dem Weltklerus 
an der Pariser Universität im 13. Jahrhundert als anstößige Neuerer, zur 
gleichen Zeit galt Franz von Assisi seinen umbrischen Mitbürgern als verrückter 
Romantiker. Am englischen Hof sah man in Thomas Morus einen starrsinnigen, 
unbelehrbaren Papisten, und Theresia von Avila wurde wegen ihres Bestrebens, die 
Ordensregel des Karmel auf ihre Ursprünge zurückzuführen, für ein rückständiges, 
»unstetes Weib« gehalten. Der selige Josernaría Escrivá mußte in unserer Zeit 
die Erfahrung machen wie Johannes Bosco hundert Jahre vor ihm; Don Bosco 
berichtet in seinen Aufzeichnungen, die einen hätten sein Werk für revolutionär, 
andere für ketzerisch, wieder andere schlicht für verrückt gehalten. Meistens 
hat es Jahrzehnte bedurft, bis man die Unzeitgemäßheit der Heiligen als 
prophetisches Zeugnis erkannt hat. Sie geben jeweils ihrer Zeit, was sie 
braucht, nicht was sie zu brauchen meint.
Aus der 
Frühzeit des Glaubens besitzen wir das Beispiel der zwei Jünger Josef von 
Arimathäa und Nikodemus. Sie treten nicht zur Zeit der großen Wunder als Jünger 
Christi auf, erst in der Stunde der Verachtung, als sich die gesamte »öffentliche 
Meinung« 
gegen ihn wandte, sind sie zur Stelle. Ähnlich verhielten sich die Apostel vor 
dem Hohen Rat. Denn für sie gilt: Das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren 
gehen, Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft.10
In 
unserer Zeit mögen es viele für hinterwäldlerisch halten, treu zu sein in der 
Ehe, sich anständig im Geschäftsleben zu verhalten, offen für eine kinderreiche 
Familie und die damit einhergehenden materiellen Entbehrungen zu sein, die 
christliche Aszese als Fasten und Buße des Leibes ernst zu nehmen. Paulus, der 
sich des Evangeliums nicht schämt11, 
schreibt an Timotheus: 
Gott hat uns nicht einen Geist der 
Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der 
Besonnenheit. Schäme dich also nicht, dich zu unserem Herrn zu bekennen, schäme 
dich auch meiner nicht, der ich seinetwegen im Gefängnis bin; sondern leide mit 
mir für das Evangelium. Gott gibt dazu die Kraft.12
Ausgangspunkt unseres Gebetes war die Heilung des Kranken im Hause des 
argwöhnischen Pharisäers. Inmitten jener feindseligen Atmosphäre läßt sich Jesus 
nicht durch alle möglichen Überlegungen davon abhalten: es war Sabbat, die 
Menschen werden ihn kritisieren ... Wohlmeinende hätten ihm vielleicht geraten: 
Warte doch auf eine bessere Gelegenheit, nimm Rücksicht auf die Engstirnigkeit 
der Tischgenossen. Der Herr tut indessen, was die Barmherzigkeit erfordert und 
die sinnvolle Auslegung des Gesetzes ermöglicht, auch wenn viele daran Anstoß 
nehmen.
Auch uns 
muß allein dies wichtig sein: wie sich etwas in den Augen Gottes ausnimmt. Nur 
wirkliche Klugheit, nicht Feigheit oder Bequemlichkeit kann begründen, daß wir 
einmal schweigen oder ein gutes Werk unterlassen. Wiewiel Gutes werden wir 
unseren Mitmenschen erweisen, wenn unser Leben mit unserem Glauben harmoniert! 
Wie wird sich der Herr freuen, wenn er uns als seine wahren Jünger erkennt, die 
sich nicht verstecken und sich nicht schämen!
Maria ist 
uns ein Vorbild der Festigkeit in schweren Stunden - sie steht ganz nahe bei 
ihrem Sohn, während ihn die Menschen ringsum verspotten und sein Werk für 
gescheitert erklären.
Lk 
14,1-6. - 
2
Regensburger Neues Testament, Bd.3, Regensburg 1955, S.242. -
3 
vgl. 
Mk 2,16; 
Lk 7,37. -
4 
J.Escrivá, 
Die Spur des Sämanns, 
Nr.36. - 
5 R.Guardini,
Tugenden, Mainz 1987, S.100. - 
6
Mk 
8,38. - 
7 Johannes 
Chrysostomos, 
Homilien über das Matthäusevangelium, 
15,9. - 
8 Dietrich von 
Hildebrand, 
Sittliche Grundhaltungen, 
Regensburg 1969, S.47. - 
9
Gal 
4,4. - 
10
1 Kor 
1,18-18. - 
11 vgl.
Röm 
1,16. - 
12
2 Tim 
1, 7-8.