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Francisco Fernández-Carvajal Hablar con Dios

JAHRESKREIS
29. SONNTAG (LESEJAHR C)

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GEBET, GLAUBEN, AUSDAUER

Die Macht ausdauernden Betens.
Der ungerechte Richter und die Witwe.
Wahrheit, Gebet und Glauben.

I. Ich rufe dich an, denn du, Gott, erhörst mich. Wende dein Ohr mir zu, vernimm meine Rede! Behüte mich wie den Augapfel, den Stern des Auges, birg mich im Schatten deiner Flügel.1

Der jahrtausendealte Ruf des Psalmisten eröffnet die heutige Liturgie, deren Texte um die Macht des ausdauernden Gebetes kreisen. Wenn wir das Gleichnis des Herrn von der Witwe und dem ungerechten Richter hören, dann wissen wir schon, was der Herr mit dieser Geschichte verband. Lukas sagt es uns: daß sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten2.

Manches im geistlichen Leben ist einmalig, unwiederholbar, so die Taufe; anderes muß immer wieder neu geschehen wie vergeben oder um Vergebung bitten. Wieder anderes bildet so etwas wie eine latente Gegenwart im christlichen Leben; dazu gehört das Beten, das Glauben, das Gottvertrauen auch dann, wenn Gott in der Seele zu schweigen scheint. Augustinus kommentiert das heutige Evangelium, indem er den Zusammenhang zwischen Glauben und vertrauensvollem Beten hervorhebt: »Wenn der Glaube nachläßt, schwindet das Beten« denn »der Glaube ist die Quelle des Betens« und »der Fluß kann nicht fließen, wenn die Quelle versiegt«3. In der Nachfolge des Herrn fragen wir uns, wie der Herr gebetet hat: Vater, ich danke dir, daß du mich erhört hast. Ich wußte, daß du mich immer erhörst.4

Die erste Lesung der Messe5 stellt uns die Gestalt des betenden Mose vor Augen. Das augenfällige Bild birgt hinter naiven Zügen die geistliche Aussage, die sich dem Betenden eröffnet. Das Volk Israel steht im Kampf gegen die Amalekiter. Mose läßt Josua die Schlacht schlagen, er selbst zieht sich auf den Gipfel des Berges zurück. Dort betet er. Solange Mose seine Hand erhoben hielt, war Israel stärker, sooft er aber die Hand sinken ließ, war Amalek stärker. Um ihm in dieser betenden Haltung zu helfen, stützten Aaron und Hur seine Arme, der eine rechts, der andere links. Dieses archaische Bild macht zwei immer gültige geistliche Grundsätze sinnfällig: Das Beten darf niemals nachlassen, die erhobenen Hände dürfen sich niemals senken. Und: wir können uns dabei, wenn Verdruß, Mißstimmung oder Unmut uns überkommen, gegenseitig die Arme stützen.

Der Kirchenlehrer Alfons Maria von Liguori schreibt: »Der Herr will uns Gnaden erteilen, aber er will, daß wir um sie bitten. Denn einmal sagte er zu seinen Jüngern: Bis jetzt habt ihr noch nichts in meinem Namen erbeten. Bittet, und ihr werdet empfangen, damit eure Freude vollkommen ist. (Joh 16,24). Es ist, als sagte er: Klagt nicht über mich, wenn ihr nicht ganz froh seid, sondern beklagt euch über euch selbst, weil ihr mich nicht ersucht habt, euch das zu geben, was ihr braucht.«6

Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Der liturgische Ruf fordert uns auf, zu den Höhen zu schauen, von wo die Hilfe kommt. In dieser Zeit des Gebetes wollen wir auch in die Niederungen unseres Lebens blicken und dabei die Worte beherzigen: »Harre aus im Gebet! Das ist die Mahnung unseres Meisters. Tust du das, dann erwachsen daraus Frieden, Freude, innere Ruhe und als Folge davon ein fruchtbringendes Wirken im Dienste Gottes und der Menschen.«8

II. Allezeit beten und darin nicht nachlassen. Der Herr verdeutlicht dieses Wort in der Gegenüberstellung von zwei markanten Gestalten: der des ungerechten Richters und der der wehrlosen Witwe. Die Gestalt des Richters, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm, begegnet uns nicht selten im Alten Testament, vor allem bei den Propheten: Sie verschaffen den Waisen kein Recht, die Sachen der Witwen gelangen nicht vor sie. Es sind jene, die den Schuldigen für Bestechungsgeld freisprechen und dem Gerechten sein Recht vorenthalten10 und das Recht der Waisen, die Erfolg erwarten, und die Sache des Armen nicht entscheiden11.

Auf der anderen Seite steht die Witwe, wehrlos und auf sich allein gestellt. Ihr einziges Druckmittel ist ihr penetrantes Vorstelligwerden. Schließlich siegt so ihre Hartnäckigkeit über die richterliche Willkür. Die unerwartete Wende am Ende der Geschichte möchte verdeutlichen, daß der Herr nicht so sehr die Ausdauer der Witwe hervorheben, sondern Gottes Güte und Barmherzigkeit bekräftigen will. Die Gestalt des ungerechten Richters verweist in ihrer Umkehrung - wie so oft in den Gleichnissen - auf den barmherzigen Gott. »Die Pointe der Parabel liegt demgemäß nicht in der Beharrlichkeit des Bittens, sondern in der Gewißheit der Erhörung. Nicht wie wir uns beim Bittgebet Gott gegenüber verhalten müssen, wird gesagt, sondern wie er sich unseren Bitten gegenüber verhält. Wenn schon ein so schlechter Mensch wie dieser Richter sich aus bloßem Egoismus durch die Bitten einer hilflosen Witwe bewegen läßt, ihr zu helfen, um wieviel mehr wird dann Gott, der gütige Vater, die Hilferufe seiner Auserwählten erhören.«12 Bedenkt, was der ungerechte Richter sagt. Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen?

Die Kirche trägt Tag und Nacht das Flehen ihrer Kinder vor den barmherzigen Vater durch Jesus Christus im Heiligen Geist. Dies ist für sie - und für jeden einzelnen in ihr, Priester wie Laie - das Wichtigste, denn sie kennt die Nöte und Sorgen der Menschen. Das vertrauensvolle Flehen der Kirche stützt sich auf die drei im Gleichnis erwähnten Gründe: die Güte und Barmherzigkeit Gottes, die Liebe Gottes zu jedem einzelnen seiner Kinder und die Beharrlichkeit der Betenden.

Im Anschluß an das Gleichnis überliefert uns Lukas ein dunkles Wort unseres Herrn: Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde noch Glauben vorfinden? Werden die Söhne und Töchter Gottes durch die Jahrhunderte hindurch ihre Sorgen und Nöte immer als Aufforderung sehen, sich an den barmherzigen Vater zu wenden? Oder werden sie sich ihm verschließen und vergessen, daß der Hunger nach Gott zum Menschsein gehört? Denn die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen13. Lassen wir dieses Wort des Herrn in unserer Betrachtung jetzt auf uns wirken.

III. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Glauben und Beten. Echtes Gebet folgt aus dem Glauben, es setzt nicht nur die Existenz, sondern auch die Ansprechbarkeit eines Du voraus, das uns liebt. Aber ebenso festigt das Gebet den Glauben, er wird lebensnäher, denn durch ihn sieht der Mensch die verschiedenen Aspekte seines eigenen Daseins immer schärfer. Der Glaube an den einen Gott, der uns erschaffen und erlöst hat und der uns heiligen will, verbindet die Wahrheit Gottes mit der unseres Lebens, mit seinen Plänen für uns. Die Wahrheit, die wir glaubend erfahren, »macht das Gebet kräftig, durchströmt es mit jener herben, erhaltenden, belebenden Energie, ohne die es weichlich wird (...). Der dogmatische Gedanke macht frei von der Knechtschaft des Gemütes, von der Verschwommenheit und Trägheit des Gefühls.= 14 Alles Engherzige erhält dann Weite. Irdische Nöte, momentane Bedrängnisse - die Suche nach einer Wohnung oder das Bestehen einer Prüfung - behalten ihre Dringlichkeit und stehen doch in einer geweiteten Perspektive. Wir fragen uns zunehmend, ob das Erbtene auch wirklich für uns gut ist. Das Gebet wird immer mehr von Hingabe und Vertrauen getragen, die Anliegen Gottes werden immer mehr zu unseren Anliegen. Dann gilt nicht mehr, wie es in dem naiv-kindlichen Spruch heißt: »Lieber Gott, mach jetzt für mich das, was ich für dich täte, wenn du ich wärest und ich Gott wäre.« Gott weiß besser als wir, was wir brauchen und was uns schaden kann.

Der heilige Augustinus deutet in einem poetischen, spirituellen Sinn die Psalmworte: Du läßt die Quellen hervorsprudeln in den Tälern, sie eilen zwischen den Bergen dahin. Allen Tieren des Feldes spenden sie Trank, die Wildesel stillen ihren Durst daraus. Er schreibt: »Dort trinkt der Hase, dort der Wildesel; der Hase ist klein, der Wildesel groß; der Hase ist ängstlich, der Esel wild und beide trinken, aber ein jeder nach seinem Durst.«" In dem Maße, in dem wir beten, weiten wir uns innerlich und werden fähig, inniger, beständiger, vertrauensvoller zu beten. Wir lernen, nach dem zu verlangen, wonach Gott verlangt.

Damit unser Gebet ausdauernd, vertrauensvoll und vom Glauben getragen sei, stellen wir uns unter den mütterlichen Schutz Mariens: »Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten, sondern errette uns jederzeit aus allen Gefahren«17.

Eröffnungsvers, 17,6.8. - 18,1-8. - vgl. Augustinus, Predigt 115,1. - 11,42. - 17,8-13. - Alfons Maria von Liguori, Predigt 46 zum 10. Sonntag nach Pfingsten. - 121,1-2. - J.Escrivá, Im Feuer der Schmiede, Nr.536. - 1,23. - 5,23. - 5,28. - Regensburger Neues Testament, Bd 3, Regensburg 1955, S.279. - 1,53. - R.Guardini, Vom Geist der Liturgie, Freiburg 1983, S.17. - 104,11. - Augustinus, Erklärung der Psalmen. - Gebet Unter deinen Schutz und Schirm.

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